Als Sachverständiger kann Theo Reuter auf jahrzehntelange Erfahrungen zurückblicken, wenn es um „Pfusch am Bau“ geht. „Viele von diesen Ausführungsfehlern“, so der Praktiker, „sind aber mittlerweile abgestellt, oder es gibt zumindest ein Bewusstsein für die potenziellen Schäden, die sich aus einer mangelhaften Bauleistung ergeben.“ Ein typisches Beispiel: die Luftdichtheit der Gebäudehülle, die über eine Differenzdruckmessung (als „Blower-Door-Test“ bekannt) nachgewiesen wird – möglichst direkt nach der Feininstallation und nicht erst nach Bezug des Hauses, wie Reuter es immer wieder beobachtet: „Gleichzeitig eröffnen sich aber über die zunehmende Technisierung von Objekten auf anderen Feldern der Technischen Gebäudeausrüstung mindestens genauso eklatante Mängel, denen wir jetzt dringend mehr Beachtung schenken müssen.“ Typische Praxisbeispiele sind hier für ihn die raumlufttechnischen Anlagen, von denen „etwa 50 % nicht die geforderte Dichtheit aufweisen!“
Mit fatalen Konsequenzen für die Betreiber: Im günstigsten Fall ist der Energieaufwand zum Betrieb der RLT-Anlage durch Leckagen deutlich höher als berechnet; das lässt dann „nur“ die Stromkosten steigen. Deutlich unangenehmer sind aber vor allem für die Beschäftigten Leckagen, die zu unerwünschten Luftströmungen und damit zu Zugerscheinungen beispielsweise in einem Büroraum führen. „Spätestens, wenn RLT-Anlagen über den reinen Luftaustausch hinaus Zusatzaufgaben wie die qualifizierte CO-Abfuhr in Parkhäusern oder die Bildung virtueller Rauchabschnitte als Bestandteil des anlagentechnischen Brandschutzes erfüllen müssen, werden derartige Undichtheiten aber endgültig kritisch, weil lebensgefährlich“, so Reuter: „Die Zu- und Ablaufleistung entspricht dann nicht mehr der Auslegung, so dass zum Beispiel der CO-Gehalt in Parkgaragen schnell in kritische Bereiche ansteigen kann.“ Oder es kommt zu Schimmelbildung, wenn warme Abluft entweicht und sich an kalten Tiefgaragenwänden niederschlägt. Diese bauphysikalischen Mängel sind dann zwar nicht gleich lebensbedrohend, werden für den Betreiber am Ende aber nicht minder teuer. Genau wie mögliche Bauschäden zum Beispiel an Flachdach-Konstruktionen, wenn Lüftungsanlagen nicht im ausgewogenen Verhältnis von Zu- und Abluft laufen, sondern in ständigem Überdruck fahren.
Vor der Einregulierung prüfen
Eine zentrale Forderung, die Theo Reuter daraus ableitet, ist die zwingende Verpflichtung zur Kontrolle von RLT-Anlagen und KWL-Anlagen auf Dichtheit noch vor der Einregulierung gemäß DIN EN 12599: „Ohne großen Aufwand lassen sich da noch abschnittsweise Kanalstrecken über automatisch arbeitende Dichtheitsprüfgeräte wie das ,Wöhler DP 700‘ mit Über- oder Unterdruck beaufschlagen und auf Leckagen bzw. auf die geforderte Dichtheit überprüfen.“ So eine Messung benötigt manchmal weniger als eine Stunde. Welche Leckageströme dann tolerabel sind, sei ja ebenfalls eindeutig geregelt, in der DIN EN 13799 und der DIN 19146-6, so der Sachverständige weiter: „Es muss nur gemacht werden bzw. man muss zumindest wissen, dass es solche Messungen gibt!“
Warum das bisher nicht oder nur unzureichend geschieht, darauf hat Theo Reuter allerdings auch keine wirkliche Antwort. „Vielleicht“, sagt er, „liegt es einfach an dem generell fehlenden Bewusstsein für solche Fehlerquellen. Oder auch daran, dass die Montage von Lüftungskanälen immer noch als vergleichbar einfache Handwerksarbeit angesehen wird – und deswegen keiner genauer darauf achtet, ob gerade bei eckigen Kanälen die Toleranzen an den Übergängen von einem Element zum nächsten eingehalten sind, um sie über das eingelegte Dichtband auch wirklich luftdicht abzuschließen.“ Außerdem sei immer wieder festzustellen, dass Lüftungskanäle nicht so dicht seien, wie es der Hersteller verspreche.
Erschwerend komme hinzu, dass Brandschutzklappen und Volumenstromregler nicht einmal die geringste Dichtheitsklasse erfüllen – die sicherheitsrelevanten Brandschutzklappen, die effizienzbestimmenden Volumenstromregler könnten dadurch also möglicherweise selbst zur Fehlerquelle werden und sich bezüglich Dichtheit negativ auf das gesamte Luftleitungssystem auswirken.
Fakt ist: Jede zweite RLT-Anlage fällt bei der Prüfung durch Theo Reuter negativ auf, weil die eingebauten Komponenten nicht maßhaltig genug sind: „Das kann man im laufenden Anlagenbetrieb oft schon mit der Hand fühlen. Oder hören, weil die Anlage pfeift!“ Wo die händische Kontrolle nicht möglich ist, setzt Reuter das HD-Videoinspektionssystem „VIS 700“ (Hersteller: Wöhler) ein und fährt mit der Kamera die Kanäle ab. Dann fallen auch Verschmutzungen auf, die eigentlich nicht in das Kanalnetz gehören – ein zweiter massiver Kritikpunkt, mit dem sich Theo Reuter vor allem an die Betreiber von RLT-Anlagen wendet: „Nach VDI 6022 darf die Raumlufttechnik selbst nicht Quelle von Luftverunreinigungen werden. Sie ist entsprechend regelmäßig, also alle drei Jahre bzw. bei Befeuchtersystemen sogar alle zwei Jahre, hygienisch zu überprüfen.“ In der Praxis passiere aber sehr häufig das Gleiche wie bei der Luftdichtheit, nämlich nichts – und das, obwohl es bei Nichtwohngebäuden in der Regel gesetzlich vorgeschrieben ist, steht beispielsweise in der Arbeitsstättenverordnung.
Klar strukturierte Fehlersuche
Reuter: „Das geht allerdings nur so lange gut, bis es zu massiven Beschwerden zum Beispiel über schlechte Luftqualität, wie Belastungen durch Gerüche oder eine sehr hohe Schallimmission, kommt. Der Aufwand, der zur Schadensfeststellung und für die Nachbesserungen betrieben werden muss, ist dann beträchtlich und liegt in aller Regel deutlich über dem einer baubegleitenden Qualitätssicherung der RLT-Anlage."
Der Baudiagnostiker geht bei derartigen Auffälligkeiten zur Fehlersuche bewusst klar strukturiert und schrittweise vor, um von Anfang an subjektive Bewertungskriterien auszuschließen. So wird in mehreren Messreihen zunächst die Indoor Air Quality, insbesondere Luftfeuchte und CO2-Gehalt, ermittelt, bevor es über eine biologische Prüfung um die Belastung der Luft durch Schimmelsporen oder Bakterien geht. Erst dann, so Reuter, kommt die physikalische Volumenstrommessung in der eigentlichen Anlage, zu der auch der Abgleich mit den Planungsdaten für eine korrekte Einregulierung gehört: „Messtechnische Geräte wie die HD-Videoinspektionskamera ,VIS 700‘ oder das Dichtheitsprüfgerät ,DP 700‘ sind an dieser Stelle unersetzbar, weil solche Arbeiten gerade bei RLT-Anlagen im laufenden Betrieb sonst gar nicht zu leisten wären. Gleichzeitig liefern sie gewissermaßen bis auf die zweite Stelle hinter dem Komma belastbare – und dokumentierte – Messergebnisse als Basis für ein umfassendes Hygienekonzept mit zugehörigem Wartungsplan.“
Mehr Informationen unter: www.baudiagnostik-reuter.de
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